Stellungnahme der Stadt Lindenberg i. Allgäu zur Schließung des Lindenberger Krankenhauses vom 24.06.2024
Mit großer Bestürzung nimmt die Stadt Lindenberg Kenntnis von der Insolvenz des Lindenberger Krankenhauses. Noch im November 2023 hat die Stadt in einer Pressemitteilung erleichtert auf den Erhalt des Klinikstandortes als Ergebnis des Eigenverwaltungsverfahrens reagiert, wenngleich bereits damals Einschnitte im Angebot absehbar waren. Die Bürgerinnen und Bürger des oberen Landkreises, aber auch die Beschäftigten der Lindenberger Klinik, stehen nun vor einem Scherbenhaufen. Die Schließung der Klinik bedeutet das Ende einer Ära für Lindenberg sowie für den oberen Landkreis und ist in seiner Dramatik mit keinem Ereignis im Landkreis in den vergangenen Jahrzehnten vergleichbar. Dramatisch ist die Entwicklung auch für die Schwesternschaft, die mit großem Engagement und erheblichem Mitteleinsatz an der Rettung der Klinik gearbeitet hat. Vor allem aber trifft es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich mit größtem Einsatz und Engagement für ihre Klinik eingesetzt und die Restrukturierungsmaßnahmen unterstützt haben. Dieses Engagement von Menschen, die in der Coronakrise noch beklatscht wurden, mündet nun in den Verlust des Arbeitsplatzes. Es fehlen dazu die Worte.
Die Ursachen der jetzigen Lage sind vielfältig und noch nicht vollständig zu überblicken. Sie dürften ähnlich gelagert sein wie bei der Klinik in Wertheim, bei der in der vergangenen Woche bekannt wurde, dass sie aufgelöst wird. Nicht zuletzt dauerhaft niedrige Belegungszahlen im Haus in Lindenberg haben vermutlich dafür gesorgt, dass die nötigen Erträge nicht erwirtschaftet werden konnten. Die stark gestiegenen Kosten für Energie und Personal sowie inflationsbedingte Kostensteigerungen werden bis heute nicht entsprechend kompensiert und bleiben somit beim Träger der Einrichtung hängen.
Festzustellen ist jedoch auch, dass sich die gesamte deutsche Krankenhauslandschaft in einem dramatisch negativen Veränderungsprozess befindet, der sich auf die Versorgung des ländlichen Raums zunehmend verheerend auswirkt und noch weiter auswirken wird. Mit völligem Unverständnis ist festzustellen, dass dieser Prozess offenbar seitens der hohen Politik in Kauf genommen wird. Die Hängepartie um die geplante Gesundheitsreform zeigt, dass die Dramatik offenbar verkannt wird. Es ist davon ausgehen, dass zahlreiche weitere Kliniken oder Klinikgesellschaften das gleiche Schicksal wie die Klinik in Lindenberg erleiden werden, ohne dass dies seitens der betroffenen Kommunen verhindert werden kann. Im Moment erlebt die Bevölkerung, nicht nur im Westallgäu, eine kalte Marktbereinigung ohne erkennbare Strukturentwicklung für die Zukunft, die aus den Reformbemühungen erkennbar sein sollte.
Fassungslos macht die Tatsache, dass alle Bemühungen der Stadt, die Schwesternschaft zu unterstützen, ins Leere gelaufen und letztlich wirkungslos geblieben sind. Zuletzt wurde auf Initiative und in enger Abstimmung mit der Stadt ein Konzept für eine Notfallversorgung erarbeitet. Die erforderlichen Mittel sind im Haushalt des Landkreises vorgesehen, sie hätten ausgereicht, auch eine 24-Stunden-Anlaufstelle einzurichten. Ein entsprechender Antrag für den Kreisausschuss wurde durch den Ersten Bürgermeister Eric Ballerstedt bereits eingereicht, ist aber nicht behandelt worden.
Die Stadt Lindenberg hat in der Vergangenheit große Anstrengungen unternommen, um den Standort zu stärken. Auf ihr Drängen wurde eine Buslinie zum Klinikum eingerichtet, die so im ursprünglichen Konzept des Landkreises nicht vorgesehen war. Ebenso hat die Stadt die Erstellung des B-Plans für das Klinikgelände sehr intensiv begleitet und unterstützt. In der Vergangenheit wurde durch den Einsatz der Stadt zudem verhindert, dass die Hubschrauberlandestelle stillgelegt werden muss.
Als unmittelbare Konsequenz müssen die Bemühungen um ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) massiv verstärkt werden. Entsprechende Gespräche sind durch die Stadt, im Hinblick um die Diskussion um einen gemeinsamen Klinikstandort, bereits aufgenommen worden. Ziel ist es, in Lindenberg auch nach Eröffnung eines neuen Standortes in einigen Jahren leistungsfähige Medizin für die Bevölkerung vorzuhalten. Durch die neue Entwicklung ist die Dringlichkeit nun erheblich gestiegen. Ziel muss sein, die Schließung des Klinikums durch dieses medizinische Angebot möglichst bald und möglichst gut kompensieren zu können. Es darf aber nicht verkannt werden, dass die Entwicklung dieses Angebots Zeit benötigt, die auf Grund der kurzfristigen Schließung fehlt.
Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet die Schließung aus städtischer Sicht in erster Linie, dass das Vorhaben eines gemeinsamen Klinikstandortes nun deutlich an Fahrt aufnehmen muss. Ggf. muss nun auch zügig der Rettungsdienst mit zusätzlichen Kapazitäten gestärkt werden. Hier ist der Landkreis mit Verwaltung und seine Gremien gefordert.
Es sollte bereits im Vorfeld geprüft werden, ob die weit fortgeschrittene Planung für den Neubau des Klinikums Lindenberg sowie die dazugehörige, bereits bewilligte Förderung auf ein neues Projekt übertragen werden kann, um die Abläufe zu beschleunigen.
Ferner ist der Bund aufgerufen, die Hängepartie in Sachen Krankenhausreform nun endlich zu beenden und die Reform, die in der jetzigen Form von allen 16 Bundesländern (!) abgelehnt wird, in abgestimmter Form auf den Weg zu bringen. Es muss endlich Klarheit für alle Beteiligten geschaffen werden, was eigentlich die Ziele für Standards der Häuser, die erforderliche Strukturentwicklung und auch die zukünftige Finanzierung sind. Sollte dies nicht passieren, sind noch weit schwerere Verwerfungen in der Gesundheitsversorgung zu erwarten. Für eine Kommune wie Lindenberg und alle hier lebenden Bürgerinnen und Bürger ist es absolut unverständlich, dass dies offenbar ganz bewusst so hingenommen wird.
Gez.
Erster Bürgermeister der Stadt Lindenberg i.Allgäu, Eric Ballerstedt